Gemeinsame Erklärung

von Pulse of Europe, Europa-Union Deutschland, Jungen Europäischen Föderalisten Deutschland und Alliance4Europe vor der Zusammenkunft des Europäischen Rats am 23/24. Juni 2022

,,Wir beobachten mit Sorge, dass die deutsche Bundesregierung von ihren im Koalitionsvertrag festgeschriebenen europapolitischen Zielen abzurücken droht. Erklärtes Ziel der Bundesregierung war die Einberufung eines Europäischen Konvents mit dem Ziel, Vertragsreformen herbeizuführen, die geeignet sind, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union zu erhöhen und insbesondere die aus dem Einstimmigkeitsprinzip resultierenden Probleme anzugehen.
Bundeskanzler Scholz erklärte erst kürzlich, für EU-Vertragsreformen grundsätzlich offen zu sein. In dieser Woche hingegen äußerten sich Mitglieder der Bundesregierung, darunter Außenministerin Anna-Lena Baerbock dahingehend, dass ein verfassungsgebender Konvent nach Art. 48 EU-Vertrag nicht das richtige Mittel zur jetzigen Zeit sei und stattdessen die sogenannte Passerelle-Klausel genutzt werden könne, um Einstimmigkeitserfordernisse zu reduzieren.
Hierzu stellen wir fest:

1 Für Regierungen ist es immer die „falsche Zeit für Vertragsreformen“. 2012 war es die „noch nicht bewältigte Eurokrise“, 2015 die „Flüchtlingskrise“ und nun offenbar der russische Angriffskrieg. Auch der ungarische Staatschef Viktor Orbán, der informell gerne als Hindernis für grundlegende EU-Reformen genannt wird, ist bereits seit 2010 an der Macht und hat gute Chance, seine Herrschaft längerfristig zu konsolidieren. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass es immer irgendwo Akteure gibt und geben wird, die zu blockieren versuchen. In der Vergangenheit waren gerade Krisen der Motor für weitere Integrationsschritte.

2 Die Anwendung der Passerelle-Klausel erfordert – ebenso wie Vertragsänderungen durch einen Konvent nach Art. 48 EU-Vertrag – Einstimmigkeit. Warum Widerstände einzelner Regierungschefs außerhalb des Konvents ein geringeres Problem sein sollen als innerhalb eines Konvents ist schwer erklärlich. Vielmehr ist es doch so: im Rahmen eines Konvents können „Pakete geschnürt“ werden, die es vielleicht eher ermöglichen bestimmte Reformen durch- und umzusetzen, zumal das erhöhte Maß an öffentlicher Beobachtung auch den Diskurs selbst verändern würde.

Wir erwarten deshalb von der deutschen Bundesregierung, dass sie an ihren selbstgesetzten Zielen festhält und sich für notwendige Vertragsreformen einsetzt, die zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union erhöhen und auch die Aufnahmefähigkeit für weitere Mitgliedstaaten sicherstellen.


Christian Moos, Generalsekretär, Europa-Union Deutschland

Stephanie Hartung, Mitbegründerin/Vorstand, Pulse of Europe e.V.

Omri Preiss, Managing Director, Alliance4Europe

Clara Föller, Vorsitzende, JEF Deutschland

Kontakt: Info@noveto.eu

 

 

Welche Probleme entstehen der EU durch das Veto? Einige Beispiele:

2019 Irland und Schweden (rund vier Prozent der EU-Bevölkerung) verhindern die Einführung einer Digitalsteuer. Damit hätten es große multinationale Plattformen wie Facebook oder Google schwerer gemacht, Steuern zu vermeiden.

2020 Die EU plant Sanktionen gegen die Verantwortlichen, die die Präsidentschaftswahl in Belarus manipuliert haben. Zypern verhindert die Sanktionen – trotz Handlungsdruck der EU – aufgrund eigener Interessen: Sie stimmen nur zu, wenn die EU im Gasstreit weitere Strafen gegen die Türkei verhängt.

2021 Der Europäische Gerichtshof verhängt hohe Geldstrafen gegen Polen, da das Land seit Jahren gegen EU-Recht und Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit verstößt. Polen droht daraufhin, den europäischen Green Deal zu blockieren.

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